Rumänische Lyrik

Schon einige Zeit befasse ich mich mit rumänischer Lyrik. Das war eher Zufall, macht aber viel Spaß. Seit 2009 bin ich immer mal wieder in der siebenbürgischen Stadt Bistrita. Zunächst als Mitglied von Herzogenrather Delegationen zu Konferenzen und dem legendären Bistrizer Stadtfest. Später als Auftragnehmer der Stadt Bistrita für mehrere Planungsaufträge. Zuletzt mehr privat. Mich hat die Offenheit und Unvoreingenommenheit vieler Menschen dort begeistert und ich wollte mehr über das Land erfahren. Daher habe ich in Aachen Unterstützung in der Sprache gesucht, in dem Bestreben, rumänisch sprechen zu lernen. Auf einem Besuch eines Offenen Ateliertages habe ich dann einen rumänischstämmigen Künstler getroffen, den ich gefragt habe, ob wir uns nicht gelegentlich zum rumänisch sprechen, bzw. lernen treffen könnten. Das ist nun gefühlte vier Jahre her. Mein Freund hat in seinem Zimmer die Totenmaske von Lucian Blaga hängen. Das sagte mir zunächst nichts, es stellte sich aber heraus, dass hier eine hohe Affinität zur Lyrik vorlag. Also haben wir immer mehr Gedichte besprochen, und dabei ist es geblieben. Ich zeige hier einige Beispiele, die ich prosaisch übersetzt habe, nicht im Bestreben, die Form zu erhalten, sondern einzig, die Sprache, deren Besonderheiten und die Inhalte zu verstehen.

Nina Cassian

Elogiul candorii

 


Știu să întreb
Despre miei, despre flori.
Odată-ntr-o pădure
Am sărutat un izvor.

 

Știu ce uimită-i
Culoarea albastră.
Am o grădină
Și o fereastră.

 

Mai am și o carte
Foarte subțire
În care nu-ncape
Decât o iubire.

 

Pot să-mi iau locul
Lângă tine, pe stea?
- Da, spuse prințul,
Ești prietena mea.

 

Lob der Aufrichtigkeit

 


Ich weiß wie man fragt
nach Lämmern, nach Blumen.
Einst in einem Wald
habe ich eine Quelle geküsst.

 

Ich weiß wie erstaunlich ist
die blaue Farbe.
Ich habe einen Garten
und ein Fenster.

 

Aber ich habe auch ein Buch
sehr d
ünn
in das nicht hineinpasst
nur eine Liebe.

 

Kann ich meinen Platz nehmen
neben dir, auf dem Stern?
- Ja, sagt der Prinz,
Du bist meine Freundin.

 

Es gibt eine schöne Rezitation von Anda Tămăşanu auf YouTube.

 

Ion Minulescu

Romanţă fără muzică

1908 Romanțe pentru mai târziu

În seara când ne-om întâlni -

Căci va veni şi seara-aceea -

În seara-aceea voi aprinde trei candelabre de argint

Şi-ţi voi citi

Capitole din epopeea

Amantelor din Siracuza,

Citera,

Lesbos Şi Corint...

Şi-n seara când ne-om întâlni

Te-oi întreba,

Ca şi pe multele pe care le-am întrebat 'naintea ta:

- Voieşti sau nu să fii a mea?

 

În seara când ne vom iubi -

Căci va veni şi seara-aceea -

În pat vom presăra buchete de trandafiri şi chiparoasă[1]
Ne vom închide-apoi în casă
Şi vom zvârli în stradă cheia...
Şi-n seara când ne vom iubi
Te-oi întreba,
Ca şi pe multele pe care le-am întrebat 'naintea ta:
- Voieşti să nu mai fii a mea?...

 

Şi-n seara când ne-om despărţi -
Căci va veni şi seara-aceea -
Vom stinge flăcările-albastre din candelabrele de argint,
Iar florile de chiparoasă şi trandafirii-i vom presa
În cartea roză-a epopeii
Amantelor din Siracuza,
Citera,
Lesbos
Şi Corint...
Şi-n seara când ne-om despărţi
Te voi ruga,
Ca şi pe multele pe care le-am sfătuit 'naintea ta:
- Să-ţi aminteşti c-ai fost şi-a mea!...

 

Romanze ohne Musik

1908 Romanzen für später

 

An dem Abend, an dem wir uns treffen werden
- Und auch dieser Abend wird kommen –
An diesem Abend werde ich drei silberne Kerzenkandelaber anzünden
Und werde dir lesen
Kapitel aus dem Epos
Der Geliebten von Syracus [1]
Kythira [2]
Lesbos und Korinth....
Und an dem Abend wenn wir uns treffen werden
Werde ich dich fragen,
wie ich schon viele vor dir gefragt habe:
- möchtest du oder möchtest du nicht Mein sein?

 

An dem Abend, an dem wir uns lieben werden
- und auch dieser Abend wird kommen –

Werden wir im Bett Sträuße von Rosen und Nachthyazinthen [3]verstreuen
Danach werden wir uns im Haus einschließen
Und den Schlüssel auf die Straße werfen

Und an diesem Abend, an dem wir uns lieben werden
Werde ich dich fragen
So
wie ich viele vor dir auch schon gefragt habe:
- Willst du nicht mehr mein
sein?...

 

Und an dem Abend, an dem wir uns trennen werden
- denn auch dieser Abend wird kommen-
Werden wir die blauen Flammen der Silberkandelaber löschen
Und die Blätter der Nachthyazinthen [3] und Rosen werden wir pressen
In das rosa Buch des Epos
Der Geliebten von Syracus
Kythira
Lesbos
Und Korinth
Und an dem Abend, an dem wir uns trennen werden
Werde ich dich bitten
so wie ich vielen vor dir auch schon geraten habe
- du wirst dich doch erinnern, dass du mein gewesen warst!...



 [1] Pausanias überliefert, dass Arethusa einst eine Jägerin gewesen sei, die sich von dem Jäger Alpheios verfolgt sah. Doch ehe der junge Mann über das Mädchen herfallen konnte, verwandelten sie die Götter in eine Quelle. In ihrer neuen Gestalt gelangte Arethusa bis zur Insel Ortygia, dem befestigten Zentrum der Stadt Syrakus. [2] In der griechischen Mythologie ist Kythira neben Zypern die Insel der Aphrodite. Die Liebesgöttin soll hier aus dem Meeresschaum geboren und an Land gestiegen sein. Minulescu schreibt übrigens Citera und bezieht sich damit wohl auch auf die italienische Tradition und das Werk von Francesco Algarotti: Il congresso di citera (Paris, 1768), das früh auch ins Französische übersetzt wurde und eine erotisch durchsetzte Erzählung zur Erbauung der höfischen Gesellschaft war. [3]Tuberose (chiparoasă), Nachthyazinthe: Ein aus Mexiko stammender Zwiebelblüher mit betörend starkem Duft, der sich in den Abend- und Nachtstunden nochmals verstärkt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte die Tuberose Kultstatus und wurde bei gesellschaftlichen Anlässen gerne als Kopf- oder Kleiderschmuck getragen. Inhaltsstoffe der Tuberose sind übrigens angeblich wichtiger Bestandteil von Chanel Nr. 5 (1921).

 

Lucian Blaga

 

Veniţi după mine, tovarăşi[1]!

Prietenilor mei

 

Paşii profetului (1921)

 

Veniţi lângă mine, tovarăşi! E toamnă,
se coace
pelinul în boabe de struguri
şi-n guşe de viperi veninul.

 

C-un chiot vreau astăzi să-nchin
în cinstea sălbaticei mele minuni, care pleacă
lăsându-mă singur,
cu plânsul,
cu voi,
şi cu toamna.

 

Veniţi mai aproape! - Şi cel care are
urechi de-auzit să audă:
durerile nu sunt adânci decât atuncea când râd.
Să râdă deci astăzi în mine
amarul
şi-n hohote mari să-şi arunce pocalul în nori!

 

Veniţi lângă mine, tovarăşi, să bem!
Ha, ha! Ce licăreşte-aşa straniu pe cer?
E cornul de lună?
Nu, nu! E un ciob dintr-o cupă de aur,
ce-am spart-o de boltă
cu braţul de fier.

 

Sunt beat şi as vrea să dărâm tot ce-i vis,
ce e templu şi-altar!
Veniţi lângă mine, tovarăşi! Că mâne-o să mor,

 

dar vă las moştenire
superbul meu craniu, din care să beţi
pelin
când vi-e dor de viaţă,
şi-otravă
când vreţi să-mi urmaţi! - Veniţi după mine, tovarăşi!

 

Folgt mir nach, Genossen!

Meinen Freunden

 

Die Schritte des Propheten (1921)

 

Kommt zu mir, Genossen! Es ist Herbst,
Es reift heran
Der Wermut in den Weintrauben
Und im Kropf der Viper das Gift.

 

Mit einem Ausruf möchte ich heute anstoßen
Auf meine wilden Wunder, die gehen,
Mich allein lassend,
Mit dem Weinen
Mit euch,
Und mit dem Herbst.

 

Kommt näher! – Und wer hat
Ohren zu hören, höre:
Die Schmerzen sind nicht tief nur wenn man
Lacht.
Soll lachen also heute in mir
Das Bittere
Und mit schallendem Gelächter den Kelch in die Wolken werfen[2]!

 

Kommt zu mir, Genossen, lasst uns trinken!
Ha, Ha! Was funkelt so seltsam am Himmel?
Ist es das Horn des Mondes?
Nein, nein! Es ist ein Splitter aus dem Goldkelch,
Den ich zerschlagen habe am Himmelsbogen
Mit dem Eisenarm[3].

 

Ich bin betrunken und würde gern geben alles was im Traum
ist Tempel und Altar!
Kommt zu mir, Genossen! Weil ich morgen sterben werde,
Aber ich werde lassen als Vermächtnis
meinen herrlichen Schädel, aus dem sollt ihr trinken
Wermuth
Wenn ihr euch nach dem Leben sehnt
Und Gift
Wenn ihr mir folgen wollt! Folgt mir nach, Genossen!


[1] Schlachtruf der Kommunisten

[2] Anspielung auf dakische Trinksitten?

[3] Braţul de fier ist interessanterweise auch eine 2009 gegründete Spezialeinheit des rumänischen Militärs, es gibt auch andere so genannte Gruppierungen.